Was ist zwischen deiner Tochter und ihrer Freundin los? Worüber schreiben sie? Wir haben mit Mädchen auf der ganzen Welt gesprochen, um rauszufinden, was ihnen am wichtigsten ist – Freundschaft.
Was Mädchen über die Bedeutung von Freundschaft sagen
„Meine Freunde sind mir super, super wichtig. Um ganz ehrlich zu sein, kann ich mir mein Leben ohne sie gar nicht vorstellen – sie sind mein Rückhalt; sie sind ein fester Teil meines Alltags. Warum sie mir so wichtig sind? Ich glaube, es liegt daran, dass sie mich einfach immer wieder aufmuntern können. Sie sind immer für mich da, und gemeinsam haben wir eine Menge Spaß.“
„Wir sprechen über alles Mögliche, die ganze Zeit. Wir quatschen über die Schule, Lehrer und witzige Dinge, die uns passieren. Momentan sprechen wir etwas mehr über Jungs. Da gibt es diesen Jungen, den ich mag – meine Mutter weiß, dass da jemand ist, aber nur meine Freundin weiß auch, um wen es geht.“
Eleanor*, 13, Vereinigte Staaten
„Ungefähr bis ich zehn Jahre alt war, hatte ich eine Menge Freunde, aber sie waren nicht der Mittelpunkt meines Lebens. Dann ungefähr zu der Zeit, als ich auf die weiterführende Schule gekommen bin, wurden sie die Menschen, denen ich am nächsten stehe. Ich meine, ich stehe noch immer meiner Mutter nahe, und sie ist die Person, zu der ich gehe, wenn ich ein echtes Problem habe, aber über all die Dinge, die in meinem Alltag passieren, spreche ich mit meinen Freunden.“

„Meine Eltern sind immer super beschäftigt. Wenn ich ihnen erzähle, dass ich einen Test schreibe, reagieren sie ganz anders als meine Freunde. Meine Mutter würde sagen: ‚Oh, gib einfach dein Bestes‘, wenn ich glaube, dass ich nicht genug vorbereitet bin. Aber meine Freunde können nachvollziehen, dass ich mir Sorgen machen und dass ich vermutlich super viel gelernt habe und es am Ende trotzdem nicht reicht. Ich vermute, das liegt daran, dass meine Freunde ein ähnliches Leben führen wie ich. Das macht sie so wichtig.“
Jessie*, 14, Mexiko
„Ich habe fünf beste Freundinnen – drei von ihnen waren schon in der Grundschule in meiner Klasse, und zwei habe ich auf der weiterführenden Schule kennengelernt. Nach meinen Eltern sind sie mir am nächsten. Meine einzige Schwester ist 24, also viel älter als ich, und ihr Leben ist ganz anders. Meine Freundinnen sind vielmehr so wie Schwestern – die meiste Zeit sind sie entweder bei mir zu Hause, oder ich bin bei ihnen. Normalerweise übernachten wir auch am Wochenende beieinander.“
„Meine Eltern sehen meine Freundinnen fast schon als ihre eigenen Töchter an, und ich fühle mich wie ein Familienmitglied bei ihnen daheim. Das ist was ganz Besonderes, und ich denke nicht, dass sich Jungs untereinander so nahestehen.“
„Wir sprechen wirklich über alles, meistens geht es darum, was zu Hause los ist, welche Stars uns interessieren oder welche Musik wir mögen. Es ist alles super, bis es eine Unstimmigkeit gibt, und dann – zack – bin ich super traurig.“
Isabella*, 14, Brasilien
„Wenn du auf die weiterführende Schule kommst, geht es darum, dass du deinen Platz findest und die Leute kennenlernst, mit denen du dich wohlfühlst und mit denen du dich wirklich identifizieren kannst. Wenn ich also morgens in die Schule komme, suche ich als Erstes meine Clique. Insgesamt sind wir zu fünft – zwei von uns sind schon in dieselbe Grundschule gegangen und die anderen drei in eine andere. Ich spreche auch mit anderen Mädchen, und es gibt auch keinen Ärger mit anderen Cliquen oder so. Aber mit meinen besten Freundinnen will ich einfach die meiste Zeit verbringen.“
„Wir sehen gern gleich aus. Jeden Morgen beim Fertigmachen für die Schule schreiben wir uns gegenseitig Nachrichten: ‚Heute ziehe ich Shorts an.‘ Oder: ‚Ich trage heute einen Rock.‘ So können wir dann alle gleich aussehen.“
Evie*, 13, Australien
„Jede in unserer Gruppe hat eine andere Rolle: Ich bin zum Beispiel die Streitschlichterin: Leute kommen zu mir, wenn es Ärger gibt. Eine kann auch die Witzige sein oder die Schlaue. Wenn jemand die Clique verlässt, muss jemand anderes seine Rolle einnehmen, oder die Leute in der Clique müssen sich etwas anpassen. Denn du brauchst immer jemanden, der lustig ist, oder einen, der Streitereien schlichten kann.“
Issy*, 11, Großbritannien
Warum Freundinnen so wichtig für deine Tochter sind
Für die meisten Mädchen, mit denen wir gesprochen haben, sind ihre Freundinnen der absolute Lebensmittelpunkt. In diesem Alter gehen sie oftmals enge Beziehungen mit drei, vier oder fünf anderen Mädchen ein. Ihre Clique ist dann eine von vielen in ihrem alltäglichen Umfeld.
Eltern und die Familie sind nach wie vor wichtig. Letztlich sind es aber ihre Freunde, mit denen sie ihre alltäglichen Erlebnisse teilen.
Das ist nicht nur eine Phase – sondern ein biologischer Zwang. Die hormonellen Veränderungen, die sie durchlaufen, entzünden ihre sozialen Kompetenzen, und sie sehnen sich nach der Sicherheit, die Freundschaften mit sich bringen.
Diese Beziehungen nehmen starken Einfluss auf die Selbstwahrnehmung der Mädchen und darauf, wie erfolgreich sie sich selbst einschätzen.
Als Elternteil sollte man sich nicht über die Freundschaften der Tochter lustig machen. Sage nicht, dass die Zeit mit ihren Freundinnen nicht wichtig ist, oder beschwere dich nicht darüber, wie viel Zeit sie mit ihnen verbringt oder wie viel sie miteinander schreiben, wenn sie nicht zusammen sind.
Du musst deine Tochter vielleicht von Zeit zu Zeit etwas zügeln (wenn sie zum Beispiel während eines Familienessens Nachrichten verschickt). Aber vergiss nicht, dass dieser umfassende Kontakt für sie sehr wichtig ist.
*Um die Privatsphäre der hier vorgestellten Personen zu schützen, wurden die Namen geändert. Die Geschichten und Erfahrungen, die sie teilen, sind hingegen nicht erfunden, sondern entsprechen tatsächlichen Begegnungen.
Mädchen und ihre Freundschaften: was Experten dazu sagen
Die Psychologin Dr. JoAnn Deak hat sich ausgiebig mit Mädchen und ihrer Entwicklung auseinandergesetzt und festgestellt, dass Eltern die Beziehungen ihrer Tochter häufig als „übermächtig“ bewerten, wohingegen die Mädchen selbst ihre Freundschaften als „vorrangig“ bezeichnen.
Manche Experten bezeichnen Freundschaftsgruppen unter Mädchen neben dem Begriff „Clique“ auch als „Club“. Dr. Deak bezeichnet das soziale Verhalten in dieser Zeit als „Schmetterlingsphase“. Bis jetzt befanden sich die Mädchen im schützenden Kokon ihrer Familienbeziehungen. Zu Beginn der Pubertät ist dieser Kokon plötzlich verschwunden. Das ist aufregend, aber auch ein wenig gruselig und überfordernd.
In dieser Phase haben Mädchen noch sehr fragile Flügelchen, sagt sie. Um sich selbst zu schützen, umgeben sie sich mit anderen „frisch entpuppten Schmetterlingen“. „Sie gruppieren sich und haben das Bedürfnis, sich ähnlich zu verhalten, ähnlich zu sprechen und ähnlich auszusehen, um so zum eigenen Schutz in der Gruppe unterzugehen“, sagt sie.
Unsere Expertin Dr. Tara Cousineau sagt: „Mädchen sind naturgemäß beziehungsorientiert. Sie handhaben Stress, indem sie eine Bewältigungsstrategie namens ‚Ähneln und Anfreunden‘ anwenden. Es handelt sich um eine Überlebensstrategie, die insbesondere Frauen, zusätzlich zum natürlichen Flucht- und Kampfverhalten, entwickeln. Das ist eine weitere Perspektive, aus der Mädchengruppen betrachtet werden sollten. In einer Gruppe akzeptiert zu werden stellt für sie eine Schutzmaßnahme für ihr Selbstbewusstsein dar – insbesondere in den empfindlichen Jahren des Erwachsenwerdens.“
*Um die Privatsphäre der hier vorgestellten Personen zu schützen, wurden die Namen geändert. Die Geschichten und Erfahrungen, die sie teilen, sind hingegen nicht erfunden, sondern entsprechen tatsächlichen Begegnungen